Mobbing

Je schlechter die wirtschaftliche Situation und je grösser die Arbeitsplatzunsicherheit wird, desto stärker ist auch der Konkurrenzkampf von
Mitarbeitern untereinander ausgeprägt. Dieser Konkurrenzkampf beschränkt sich vielleicht irgendwann nicht mehr auf rein arbeitsleistungsmässige Auseinandersetzungen, sondern er geht (zu) weit darüber hinaus: Er umfasst Angriffe auf die Kommunikation, auf die soziale Situation, auf das Ansehen, auf die materiellen Werte, auf die Gesundheit eines Opfers usw. Jede Sachlichkeit ist dabei längst verlorengegangen: Man spricht von "Mobbing". Im Unternehmen obliegt es dem Vorgesetzten, hier rechtzeitig regelnd einzugreifen. Leider jedoch ist es nur allzuoft so, daß ein Vorgesetzter selbst mobbt und damit seinen Untergebenen als schlechtes Vorbild dient - weil die nämlich das Vorgesetztenverhalten nachahmen. Die französische Psychiaterin Marie-France Hirigoyen hat für Mobbende den Terminus "narzistisch Perverse" geprägt und bezeichnet ihr Verhalten als pathologisch (krankhaft). Doch was versteht man eigentlich unter dem Mobbing selbst?

"Mobbing" ist als systematischer, (Stress-bedingter) Psychoterror, Schikanen und Intrigen gegen Personen am Arbeitsplatz mit dem Ziel, vermeintliche Konkurrenten loszuwerden, definiert. Jeder, der ein Unternehmen auf welche Art auch immer verlässt, kann einem Kollegen nicht mehr gefährlich werden und sichert dadurch dessen Arbeitsplatz. Auch soll oftmals ein langjähriger Mitarbeiter dazu bewegt werden, selbst zu kündigen - damit der Arbeitgeber die Abfindung spart. In diesem Falle ist das Mobbing von rein ökonomischer Natur und dient einzig und allein dem "Rausekeln". Es muss sich um fortgesetzte, aufeinander aufbauende oder ineinander übergreifende Verhaltensweisen handeln, auch wenn sie nicht nach einem vorgefassten Plan erfolgen. Vereinzelt auftretende, alltägliche Konfliktsituationen zwischen einem Arbeitnehmer und dessen Arbeitgeber und/oder Kollegen sind noch nicht als Mobbing anzusehen. Der Begriff Mobbing hingegen beschreibt aufeinander aufbauende Verhaltensweisen, die in ihrer Gesamtheit das allgemeine Persönlichkeitsrecht oder andere ebenso geschützte Rechte, wie die Ehre oder die Gesundheit des Betroffenen, verletzen. Danach geht es um schikanöses, tyrannisierendes oder ausgrenzendes Verhalten am Arbeitsplatz.

Das Betriebsklima wird dadurch allerdings normalerweise dauerhaft geschädigt, denn wenn erstmal ein Opfer weg ist, dann machen die Mobbenden sich wie ein Schwarm Piranhas instinktiv sofort auf die Suche nach dem Nächsten und ein fataler Prozess (welcher dem Unternehmen schadet) ist in Gang gesetzt worden. Vielleicht muß sogar extra ein neues Opfer eingestellt werden. Unternehmen, in denen solche Zustände an der Tagesordnung sind, fallen durch eine hohe Personalfluktuation (häufige Stellenangebote für die gleiche Position!) auf. Durch Mobbing kann das Opfer einem erheblichen psychischen Druck ausgesetzt werden, welcher sogar zu chronischen Erkrankungen und zum Suizid zu führen vermag. Erfolgt das Mobbing seitens eines Vorgesetzten, dann spricht man von "Bossing". Bossing ist normalerweise aufgrund der hierarchisch bedingten Rollenverteilungen im Unternehmen von direkterer, härterer und zerstörerischer Natur als das Mobbing. Unter "Bullying" versteht man eine pathologische Steigerung des Mobbings oder Bossings mit dem Ziel, das Opfer um des reinen Zerstören willens durch Tyrannisieren und Schikanieren zu zerstören. Im Rahmen des Komplexes Mobbing-Bossing-Bullying (nachfolgend aus Gründen der besseren Lesbarkeit nur noch als "Mobbing" bezeichnet) kommt es zur Anwendung von Gewalt gegen (meist Einzel-) Personen.

Die Gewalt kann sowohl von physischer wie auch von psychischer Natur sein. Physische Gewalt ist normalerweise das letzte Mittel. Sie äussert sich u. a. darin, daß dem Opfer zulasten seiner Gesundheit Schutzausrüstungen vorenthalten oder daß Arbeitsunfälle (bis hin zur Todesfolge!) fingiert werden. Auch Sachbeschädigungen (z. B. die Beschädigung des PKWs auf dem Firmenparkplatz durch Unbekannte) zählt zu dieser Kategorie. Psychische Gewalt hingegen geht voraus. Sie ist auch sehr viel subtiler, diskreter, indirekter - und dadurch auch sehr viel schwerer nachweisbar. Die psychische Gewalt ist der Versuch eines Dominanten, das Opfer zu unterwerfen und seiner Identität zu berauben. Es ist schon bezeichnend, daß bspw. in Frankreich mit den dortigen Arbeitsgesetzbuch-Vorschriften des "Luttre contre le harcelement moral au travail (Kampf gegen die seelische Gewalt am Arbeitsplatz)" eine arbeitnehmerfreundliche Rechtssprechung mit Beweislastumkehr (der Arbeitgeber muß beweisen, daß nicht gemobbt wird) existiert, in Deutschland hingegen nicht. Der Beweis des Mobbings ist für Arbeitnehmer aber geradezu unmöglich - sind die möglichen Zeugen i. d. R. doch die Mobbenden selbst. Praktisch wird es dem deutschen Arbeitnehmer dadurch seitens des Gesetzgebers unmöglich gemacht, sich gegen Mobbing zur Wehr zu setzen.

Wie äussert sich Mobbing nun? Es darf keinesfalls mit den z. T. recht derben, jedoch nur sporadisch auftretenden "Späßen" auf einer Arbeitsstelle verwechselt werden. Vielmehr muß der Psychoterror über einen längeren Zeitraum hinweg regelmässig immer wieder auftreten. Die Form kann dabei variieren. Der Zeitraum wird allgemein als "mindestens einmal die Woche über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr" definiert. Welche Handlungen dann eigentlich "Mobbing" sind, darüber gibt es zwei Ausarbeitungen - nämlich die aus dem Buch "Mobbing" von Heinz Leymann (Die 45 Handlungen - was die "Mobber" tun) und die aktuell erweiterte Liste von Dr. M. Wolmerath aus "7/2000 ARBEITSRECHT IM BETRIEB 389 Abb. 2: Katalog der 100+… Mobbinghandlungen".

Leymann differenziert dabei zwischen den Kategorien:

  • Angriffe auf die Möglichkeit sich mitzuteilen
  • Angriffe auf die sozialen Beziehungen
  • Angriffe auf das soziale Ansehen
  • Angriffe auf die Qualität der Berufs- und Lebenssituation
  • Angriffe auf die Gesundheit

  • Wolmerath hingegen ist sehr viel detaillierter, berücksichtigt den Psychoterror stärker,
    liefert konkrete Beispiele und unterscheidet die folgenden Sparten:

  • Angriffe gegen die Arbeitsleistung und das Leistungsvermögen
  • Angriffe gegen den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses
  • Destruktive Kritik
  • Angriffe gegen die soziale Integration am Arbeitsplatz
  • Angriffe gegen das soziale Ansehen im Beruf
  • Angriffe gegen das Selbstwertgefühl
  • Angst, Schreck und Ekel erzeugen
  • Angriffe gegen die Privatsphäre
  • Angriffe gegen die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit
  • Versagen von Hilfe

  • Ich habe selbst mehrfach Mobbingfälle erlebt. Sie laufen eigentlich immer nach dem gleichen Schema ab. Ganz oben auf der Skala und am Anfang stehen üblicherweise die destruktive Kritik bei gleichzeitigem Versagen von Hilfe, gepaart mit zusätzlichen Angriffen auf das Selbstwertgefühl und der Beschneidung von Kommunikationsmitteln. Dies demotiviert das Opfer und isoliert es: Der bzw. die Betroffene steht alleine da und kann nichts (mehr) tun. Der nächste Schritt dient dazu, es bei den Kollegen unmöglich zu machen (Angriffe auf die sozialen Beziehungen - z. B. durch Gerüchte). Dann werden oft und gerne unlösbare Aufgaben zugeteilt (sehr beliebt ist z. B. die Anweisung zur Bearbeitung eines Vorgangs bei gleichzeitigem Vorenthalten von notwendigen Informationen und Arbeitsmitteln). Nachdem das Opfer daran zwangsläufig gescheitert ist bzw. hat scheitern müssen (!), dürfen die anderen Mitarbeiter die Aufgabe noch zusätzlich zu ihrem eigenen Tagesgeschäft erledigen - wodurch das Opfer in deren Ansehen noch weiter sinkt. Das Scheitern wird daraufhin als Grund für den Angriffe auf den Bestand des Beschäftigungsverhältnisses verwendet - indem bspw. mit haarsträubenden Abmahnungsbegründungen versucht wird, einen etwaigen Kündigungsschutz auszuhebeln.

    Wenn auch das nichts nützt, dann folgen zunächst Angriffe gegen die Privatsphäre (z. B. durch das sehr kurzfristige Widerrufen von Urlaub mit Kostenfolgen für Betroffene, durch ungünstigere Arbeitszeiten, durch finanzielle Herabstufungen usw.) und ganz zuletzt kann es sich in ganz besonders hartnäckigen Fällen aus der Sicht des Mobbenden auch noch als notwendig erweisen, Angriffe gegen die Gesundheit und körperliche Unversehrtheit des Opfers zu führen (bspw. durch das Verbot von Bildschirmpausen, durch unergonomisch-rückenbelastende Arbeitsbedingungen, durch die bewusste Allergenexposition bei Allergikern etc.). Die Grenzen zur Sachbeschädigung und zur Körperverletzung sind hier sehr fliessend... Und natürlich wird all dies von ständigen Verunsicherungsmaßnahmen (Angst, Schreck und Ekel erzeugen, Kontrollen, Öffnen der Post, Fälschen von Datenbeständen, Durcheinanderbringen von Unterlagen, Abhören von Telefonaten usw.) begleitet.

    Wer glaubt, gemobbt zu werden, der achte darauf, ob nicht mal sein Schreibtisch oder seine Arbeitstasche durchwühlt worden sind. Ein scheinbar zufällig plazierter Papierschnipsel (oder ein Haar), welcher beim Durchwühlen zwangsläufig seine Lage verändern musste (z. B. durch Herunterfallen) gibt schnell Aufschluß. Sehr beliebt ist auch die Kontrolle eines Arbeitsplatz-PCs in Abwesenheit, was vollautomatisch protokolliert werden kann (vgl. dazu auch das Kapitel "Software/ Big Brother"). Ein weiteres eindeutiges Mobbing-Anzeichen besteht darin, wenn jemand anfängt, eine rein körperliche Erkrankung des potentiellen Mobbing-Opfers plötzlich als psychisch bedingt zu bezeichnen. Oder, ganz unverblümt, wenn von einem Arbeitnehmer auf einmal ungesetzliche Handlungen verlangt werden (z. B. "Lagern Sie den Sondermüll bei der Heimfahrt irgendwo im Wald ab" oder "Fälschen Sie die Bilanz in eigener Verantwortung" u. ä) - geht er darauf ein, dann macht er sich nicht nur strafbar, sondern ist obendrein auch noch erpressbar geworden. Beachtet werden muß allerdings, daß derartige Aufforderungen zu Straftaten i. d. R. eher verklausuliert erteilt werden (Beispiel: Aus dem direkten "Fälschen Sie die Bilanz" wird das indirekte "Rechnen Sie die Bilanz mal durch Weglassungen etwas schöner und denken Sie sich eine Begründung für die Weglassungen aus".)

    Geht der Arbeitnehmer auf sowas nicht ein oder "wagt" es, eine schriftliche Auftragserteilung zu verlangen, dann erhält er oftmals sofort die Kündigung. Bis zu 10,5 Arbeitnehmern im Betrieb wird dieses Hire-And-Fire-System vom Gesetzgeber gefördert, was den Kündigungsschutz zur reinen Makulatur werden lässt. BTW: Wenn gewisse selbsternannte "Wirtschaftprofis" sich hinstellen und unter völliger Missachtung der von EU-Land zu EU-Land differierenden Rechtslagen behaupten, die deutschen Arbeitnehmer müssten sich daran gewöhnen, daß ihnen ein härterer Wind ins Gesicht weht, wem nützt das - mit Ausnahme eben dieser Wirtschaftsclowns - denn eigentlich? Wieso werden in Deutschland immer höhere Gewinne eingefahren, während gleichzeitig Armut und Arbeitslosigkeit steigen? Oder kurz: Wo bzw. bei wem bleibt denn die Kohle? Und warum setzen unsere Politiker da nicht mal an? Aber das nur als Anmerkung am Rande.

    Zurück zum Thema. Was bedeutet Mobbing jetzt ganz konkret? Die beiden folgenden Links öffnen die Listen nach Leymann und nach Wolmerath jeweils in Popup-Fenstern. Jede Liste verzeichnet typische, konkrete Mobbing-Handlungen über "mindestens einmal die Woche über einen Zeitraum von mindestens einem halben Jahr" und dazu die Aussagen "trifft zu" und "trifft nicht zu". Damit kann jeder seine eigene Lage bzw. die von Kollegen untersuchen. Als Ergebnis wird ausgeworfen, wieviel Prozent der Aussagen in welcher Kategorie zutreffen. Was Du daraus ableitest, bleibt Dir selbst überlassen. Als Faustregel gilt jedoch, daß Mobbing umso wahrscheinlicher ist, je höher der errechnete Prozentsatz wird. Die Beträge der Prozentsätze gestatten Dir ferner die Einschätzung darüber, wo in der o. a. Mobbingfall-Abfolge Du selbst, Dein Kollege oder Deine Kollegin u. U. gerade stehst bzw. steht. Im zeitlichen Abstand vorgenommene Auswertungen erlauben darüber hinaus Aussagen dahingehend, ob sich eine Lage verbessert oder verschlechtert hat. Ein Fünfzig-Prozent-Resultat bspw. darfst Du durchaus dahingehend interpretieren, daß jede zweite Mobbing-Handlung ganz bewusst vorgenommen worden ist. Wenn beide Listen im gleichen Fall sehr ähnliche, hohe Prozentzahlen zeigen, dann kannst Du praktisch sicher sein, daß Mobbing auch wirklich vorliegt. Insofern lassen sich die Listen durchaus als "Mobbing-Maß" verwenden: Link zur Leymann-Liste (nachträglich um konkrete Beispiele ergänzt) Link zur Wolmerath-Liste.

    Was kannst Du tun, wenn Du Mobbing gegenüber Kollegen bemerkst? Mach´ da keinesfalls mit. Sieh´ auch nicht weg (obgleich das sehr bequem ist), denn dann wirst Du zum Möglichmacher" und bestärkst die Mobber nur. Sicher, damit machst Du Dich bei den anderen vielleicht unbeliebt und läufst deswegen vielleicht sogar Gefahr, selbst gemobbt zu werden. Aber Du verunsicherst auch die Mobber, und zwar gewaltig. Wenn sie ihre "Kräfte" aufteilen müssen, dann werden die Attacken auch schwächer. Sofern es sich nicht um Bossing handelt, sprich´ ruhig den zuständigen Vorgesetzten an. Das ebnet dem Opfer den Weg für ein eigenes Gespräch und es gerät nicht in Verdacht, sich das alles bloss eingebildet zu haben. Biete dem Opfer Hilfe an, sprich mit ihm/ihr - für das Opfer ist es wichtig, zu wissen, daß es nicht alleine steht. Vielleicht kannst Du ja auch einen Betriebsrat einschalten, welcher dann seinerseits auf das Opfer zugeht. Auf diese Weise kann schon ein Einzelner (!) eine ganze Mobbing-Horde ins Leere laufen lassen. Das funktioniert - garantiert! Was auch ganz wichtig ist: Solange Du dem Mobber keine direkten Vorwürfe machst, sondern in einem ganz und gar unverfänglichen Gespräch scheinbar nebenbei fragst "Ich habe das Gefühl, XY wird von den meisten in der Abteilung geschnitten. Haben Sie eine Idee, woran das liegt?", kannst Du Stück für Stück ein Problembewusstsein schaffen - und wenn der Mobber anfängt nachzudenken, dann wird er im allgemeinen auch wieder menschlicher.

    Was können die Betroffenen selbst tun? Die haben es sehr viel schwerer. Theoretisch eine ganze Menge. Praktisch im Grunde genommen gar nichts. Das hört sich jetzt ziemlich beschi... an, ist aber erfahrungsgemäß leider so. Arbeitsrechtlich ist Mobbing strikt verboten, denn es ist als Eingriff in das durch Artikel 1 und 2 Grundgesetz geschützte allgemeine Persönlichkeitsrecht, die Ehre und die Gesundheit anzusehen. Dem Arbeitgeber obliegt der Schutz des Persönlichkeitsrechts und der sonstigen Rechtspositionen wie Gesundheit und Ehre des Arbeitnehmers. In jedem Schuldverhältnis, wie insbesondere dem Arbeitsverhältnis, besteht die Pflicht zur Rücksicht gegenüber den Rechten, Rechtsgütern und Interessen des Vertragspartners (§ 241 Abs. 2 BGB). Das Betriebsverfassungsrecht (§ 75 Abs. 2 Betriebsverfassungsgesetz - BetrVG) bestimmt ausdrücklich, dass der Arbeitgeber und der Betriebsrat die freie Entfaltung der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer zu schützen und zu fördern haben. Der Arbeitgeber ist danach verpflichtet, z. B. durch eine entsprechende Organisation der Betriebs- und/oder Arbeitstrukturen dafür zu sorgen, dass seine Arbeitnehmer nicht gemobbt werden. Dem Arbeitgeber selbst ist es natürlich auch untersagt, zu mobben. Soweit die Rechtslage - und damit die Theorie. Kommen wir mal zur Praxis, denn die sieht i.d. R. ganz anders aus - weil eben die Beweispflicht beim Gemobbten selbst liegt.

    Ist ein Betroffener in einem Unternehmen mit starkem (!) Betriebsrat tätig, dann wäre der Betriebsrat der Ansprechpartner. Man sollte sich allerdings vorher klarmachen, ob es sinnvoll ist, den anzusprechen. Vertritt der auch wirklich meine Interessen? Nur allzuoft ist das nämlich nicht der Fall und ein Ansprechen des Betriebsrates wird hinterher sogar noch als "Einbildung", daraus abgeleitet als "Störung des Betriebsfriedens" ausgelegt und als Kündigungsgrund mißbraucht! Bevor Du als selbst Betroffene(r) einen Betriebsrat ansprichst, such´ Dir also die betreffende Person genau aus. Dann beantworte Dir folgende Fragen: "Würde ich dem meine Wohnung während meines Urlaubs anvertrauen? Würde ich den die Aufsicht über über meine Kinder führen lassen? Würde ich dem mein Auto leihen?" Nur dann, wenn Du alle drei Fragen vorbehaltlos mit "Ja" beantworten kannst, kannst Du auch auf konkrete Betriebsratshilfe hoffen. Falls es sich nicht um Bossing handelt und Du zum Vorgesetzten ein gutes Verhältnis hast, dann könnte es sich auch durchaus lohnen, den in Kenntnis zu setzen. Denn Mobbing der Mitarbeiter untereinander würde als Führungsschwäche auf ihn zurückfallen und daher hat er ein berechtigtes Eigeninteresse daran, klare Verhältnisse zu schaffen. Auch ist es sinnvoll, einen "Neutralen" auf die eigene Seite zu ziehen - denn der kann einem den Weg ebnen (s. o.). Zu bedenken ist allerdings immer, daß traditionell die Beweislast beim Mobbing-Opfer liegt. Pauschale Angaben nützen daher gar nichts - vielmehr benötigst Du genaue Aufzeichnungen über das "Was", "Wann", "Wie" und "Wer".

    Diese Aufzeichnungen sind Gegenstand eines "Mobbingtagebuchs". Beim Mobbingtagebuch gibt es zwei Möglichkeiten. Als Gesprächsgrundlage reicht eine lockere Auflistung mit dem "Was", "Wann", "Wie" und "Wer" normalerweise schon aus. Steht jedoch zu befürchten, daß es auf eine gerichtliche Auseinandersetzung hinauslaufen wird, dann muß das Mobbingtagebuch lückenlos sein. Dazu verwendet man am besten einen dicken Taschenkalender mit einer Seite pro Tag. Hier wird ebenfalls das "Was", "Wann", "Wie" und "Wer" eingetragen - und zwar Tag für Tag ohne Unterbrechung inklusive Uhrzeit und etwaiger Zeugen. An Tagen, an denen nichts passiert ist, wird notiert, warum nichts passiert ist (z. B. Krankgeschrieben wegen Mobbingfolgen, Mobber im Urlaub etc.). Ferner ist es wichtig, gesundheitliche Mobbingfolgen zu dokumentieren (Schlafstörungen, Herzrasen, Schwindel...).

    Deutlich problematischer ist es beim Bossing. Hier liegt der der Schwerpunkt oft und gerne auf Arbeiten, welche das Selbstbewusstsein des Opfers verletzen. Kommt das Opfer einer derartigen Anweisung irgendwann nicht mehr nach, dann kann ihm das als "Arbeitsverweigerung" ausgelegt werden. Wird die Anweisung hingegen bis zum jüngsten Tag befolgt, dann kann das als Anlass genommen werden, um an der psychischen Gesundheit des Opfers zu zweifeln. Bossende Vorgesetzte sind nur allzuoft Soziopathen (vgl. das betreffende Kapitel). Über kurz oder lang ziehst Du da unweigerlich den Kürzeren. Du kannst bestenfalls Zeit rausschinden (z. B. für Bewerbungen und Jobsuche), indem Du versuchst, den Job ganz nüchtern-sachlich zu betrachten: Zwischen dem Boss und Dir besteht ein rein geschäftliches, grundsätzlich jedoch befristetes Vertragsverhältnis (auch dann, wenn Du einen unbefristeten Vertrag hast). Du verkaufst ihm zeitweise (!) Deine Arbeitskraft und er bezahlt Dich dafür - nicht mehr und nicht weniger.

    Es verlangt kein normal denkender Mensch von Dir, daß Dir die Arbeit in irgendeiner Form Spaß machen soll oder daß Du im Betrieb alt wirst. Es ist nur (!) ein Job, zeitlich beschränkt, mit dem Du Deinen Lebensunterhalt verdienst! Wenn dieser Job zulasten Deiner Gesundheit geht, dann lass´ es ruhig auf eine Kündigung ankommen, das schadet Dir nicht. Selbst Arbeitslosigkeit ist dann eine Alternative, auch wenn Du finanziell sehr viel kürzer wirst treten müssen. Kündige innerlich, denn das ist Deine einzigste Chance! Der Gang zum Arbeitsgericht lohnt sich bestenfalls dann, wenn Du über eine gute Rechtsschutzversicherung verfügst und wenn man Dich um eine Abfindung bringen will. In allen anderen Fällen ist das Arbeitsgericht überflüssig - denn letztlich bist Du selbst immer der Leidtragende. Aus meiner Sicht eher theoretisch-rechtliche Tipps findest Du darüber hinaus noch unter www.mobbing-web.de. Den Versuch, einen "Neutralen" auf Deine Seite zu ziehen, kannst Du im Falle des Bossings komplett vergessen - selbst wenn es Dir gelingen sollte. Mir ist ein Fall bekannt, in dem das mit gleich zwei Leuten gelang. Beide gingen freiwillig, bevor das Bossing-Opfer seine Kündigung erhielt.

    Letztlich dient Mobbing gar keinem und wer das praktiziert, der schadet sich langfristig selbst!



     
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